Descriere
Dem musikliebenden Publikum der ganzen Welt wohlvertraut, erinnern die Walzer von Johann Strauss-Sohn (1825 —1899) an eine gewisse Epoche, an eine bestimmte Stadt. Die Epoche ist das XIX. Jahrhundert, die Stadt ist Wien. Wer diese Walzer hört, fühlt sich in eine Zeit zurückversetzt, die ihm aus Büchern und längst verblassten Stichen bekannt ist. Die Melodie im Dreivierteltakt erzählt ihm von Menschen, die längst nicht mehr da sind. Bei ihrem Anhören schlägt das Herz des Lauschenden unwillkürlich schneller. Er fühlt sich in den Wirbel der Krinolinen und Fräcke hineingezogen, er glaubt Stimmen aus längst vergangenen Zeiten im Strom der perlenden Töne zu hören. Minutenlang vermeint er schwerelos im grenzenlosen, blauen Äther zu schweben, gleich den tausendfarbigen Schmetterlingen der Wiener Auen und Wäldern.
Eine Tonschöpfung, die das Herz schneller schlagen lässt, ist kein totes Museunistück. Und doch ist der Wiener Walzer ein Tanz der Vergangenheit. Seine Geschichte ist abenteurlich und voller unvorhergesehener Wendungen. Er entstand um die Zeit der französischen Revolution in den Vergnügungslokalen und Gartenwirtschaften in den Aussenbezirken Wiens. Da er dem Volk entstammte, war dem Walzer der Zutritt zu den Salons, den Bällen und den Musiktheatern lange verwenrt. Erst ein halbes Jahrhundert später eroberte dieser neue, für die Menschen von damals ein verwegener Tanz, den viele mit einem „rasenden Dämon” oder einem „wilden, abscheulichen Wirbel” verglichen, ganz Europa, sowohl das einfache Volk, als auch die Spitzen der Aristokratie.
Die Zahl der Komponisten des XIX-ten Jahrhunderts, die ihr Talent und ihre Fertigkeit an Walzern versucht haben, ist keine geringe. Keinem ist es jedoch besser gelungen, ihnen eine künstlerisch vollkommenere Form zu verleihen, in ihnen die tiefen, innern Wesenszüge Wiens, der Wiege des Walzers, vollendeter auszudrücken, als Johann Strauss-Sohn. Inspiration und Feinfühligkeit sind in seinen Walzern eng mit deren harmonischen Proportionen verflochten. Der Komponist liebte die reiche,’ beflügelte Melodie, die ins Ohr gehende Tongemälde, die weichen, wohlabgerundeten Tonphrasen. Die ihm eigenen langatmigen Perioden strömen wie ein breiter Fluss dahin, in Windungen, hier langsam, sich im Sonnenschein ausbreitend, dort wieder rasch dahinfliessend. In seinen Kompositionen klingen Grazie und Scherz der Vertraulichkeit wieder, aber auch unruhige Erwartung, Freude des Wiedersehens, Liebesgeflüster, Melancholie einer neuerlichen Trennung und der ganze Zauber der österreichischen Landschaft. Seine Melodien entspringen einer grossherzigen Sympathie und Solidarität mit den unkomplizierten Gefühlen der Masse. Jede von ihnen ist ein kleiner, geschliffener Tonjuwel. Der berühmte Donauwalzer ist sicherlich mehr als eine Naturbeschreibung in Tönen ; er scheint der Fluss selbst zu sein, und um ihn ganz zu verstehen, muss man, wie einst einer seiner Bewunderer sagte, ein Schwimmer sein, um sich in die Unendlichkeit der Töne zu stürzen, welche ununterbrochen dahinströmen, wie die Donau selbst. „Wein, Weib und Gesang”, ein anderer berühmter Walzer, feierte einen wahren Triumphzug und erfreut sich auch heute noch grosser Beliebtheit. „G’schichten aus dem Wienerwald” ist eine der rührendsten Huldigungen, die der Komponist seiner Hei¬matstadt dargebracht hat. Mit seinem grossen Talent Leben und Menschen zu schildern, beschwört er in diesem Walzer das Bild des Wieners herauf, wie er unter dem Bogen grünender Zweige auf Waldwegen dahinwanaelt, dem Vogelgezwitscher und den Volksweisen lauschend. Den Akkorden des Walzers „Wiener Blut” entströmt eine sanfte Melancholie, die den Idealen, den Illusionen, aber auch den vorübergehenden Kümmernissen des Grosstadtlebens entspringt. Der Walzer aus der Operette „Die Fledermaus”, voller ansteckender Fröhlichkeit, spiegelt im Grunde andere Bilder der gleichen Epoche, die Züge des selben Volkes wider. Der „Frühlingsstimmenwaizer” gleicht dem Dahinrollen einer glänzenden Perle. Aus diesem Walzer ist das geheimnisvolle Gären der Jahreszeit, das Zwitschern der Vögel in den grünenden, vom lauen Wind bewegten Zweigen hinauszuhören, über denen Schälerwolken am blauen Frühlingshimmel dahinziehen.
Wie die Walzer von Johann Strauss-Sohn, erzählen auch die seines Bruders Josef Strauss (1827 – 1870) im Dreivierteltakt von einer Welt, die das Glück im Taumel von Musik und Tanz suchte. Sie besingen den blauen Himmel des Wien von einst, seinen matt schimmernden Horizont, das melodische Rauschen der Wälder auf den Hügeln der Donau, das bewegte Leben und Treiben eines Volkes, das in Musik und Tanz verliebt ist.
Von den von poetischem Schwung und aufrichtigen Gefühlen erfüllten Strauss-Walzern wurde einst gesagt, dass sie so lange lebfen würden, bis von Wien auch nur ein Stein übrig bleibt. Wer sie in der Gestaltung des Innsbrucker Sinfonieorchesters unter Stabführung von Robert Wagner hört, gelangt zu der Erkenntnis, dass diese Walzer so lange leben werden, als Menschen in der Musik Freude, Rührung und jenen Zauber finden, die die Herzen höher schlagen lasen.
GEORGE SBÂRCEA
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